Das Projekt

Das von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt MAL greift zwei zentrale Probleme des Mathematiklernens im sekundären und tertiären Bereich auf: Lernende bilden den notwendigen algebraischen Struktursinn (Hoch und Dreyfus 2004) nicht angemessen aus und die starke Ausprägung von Heterogenität in den Unterrichtsklassen macht es Lehrkräften schwer, den individuellen Bedarfen der Lernenden gerecht zu werden. Das Projekt MAL hat unter anderem das Ziel, ein Produkt zu entwickeln, das Lehrkräften dabei hilft, diese beiden Probleme in ihrem Unterrichtsalltag zu bewältigen und auf andere Felder lebenslangen Lernens ausgedehnt werden kann.
Der Aufbau algebraischer Fähigkeiten fällt Lernenden schwer und gelingt im Mathematikunterricht überall auf der Welt nicht gut genug (Tietze 1988, Prendergast & Treacy 2015, Mullis et al. 2008, Malle 1993, Hoch & Dreyfus 2004). Fundierte Grundlagen für die Entwicklung algebraischen Denkens können bereits lange vor der eigentlichen Algebra gelegt (Knuth et al. 2011, Radford 2011) und durch einen geeignet gestalteten Übergang von der Arithmetik zur Algebra weiter entwickelt werden (Tunks & Weller 2009). Das allein hebt die Schwierigkeiten aber nicht auf. Probleme mit dem „Lernen von Algebra“ liegen auch in der Natur der Algebra als Schlüsselbereich zur Fähigkeit, relational, generalisierend und symbolisierend mit Mathematik umzugehen (Malle 1993, Fischer et al. 2009, Reid 2004a). Wer über das Rechnen hinaus mit Mathematik umgehen möchte, muss diese algebraische Sprache mit den zugrunde liegenden Konzepten beherrschen, um Formeln zu verstehen, mit Funktionen umgehen zu können, um Oberstufenmathematik zu lernen, um in technischen Berufen arbeiten zu können oder gar erfolgreich ein MINT-Studium zu absolvieren. Algebraisches Denken wird sogar als integraler Bestandteil mathematischen Denkens generell angesehen (Hefendehl-Hebeker 2007). Um Algebra und ihre Symbolsprache verstehend lernen zu können, müssen vielfältige inhaltliche Vorstellungen aufgebaut werden (Prediger 2009), insbesondere wenn alle Lernenden daran teilhaben sollen. Aktuelle Forschungen weisen darauf hin, dass multimodale Formen dieses Lernen unterstützen können (Simensen et al. 2015), weil dadurch ein Spektrum unterschiedlicher Ressourcen aktiviert werden kann (Arzarello & Robutti, 2010), etwa indem materielle Objekte den Ausgangspunkt bilden und mit ihnen argumentiert wird (Rinvold & Lornage 2009), Gesten eingesetzt werden (Krause & Bikner-Ahsbahs 2012) und in Abstraktions- und Symbolisierungsprozesse hineingeführt werden (Nathan 2008). Didaktische Konzepte mit diesem Anspruch, die die digitalen Möglichkeiten erschließen, liegen derzeit allenfalls in Ansätzen vor (Chiappini 2011), insbesondere, wenn dieses Lernen auch noch eingebettet werden soll in für das Mathematiklernen wichtige Problemlöse- und Argumentationsprozesse und zugleich Förderung von Interesse auch in inklusiven Lernkontexten mit bedacht werden soll.
In stark heterogenen Gruppen arbeiten Lernende oft individuell, ohne dass die Lehrkraft bei allen unterstützend und korrigierend eingreifen kann. Fehler und Fehlvorstellungen schleifen sich ein und sind später kaum noch korrigierbar. Ein technisch unterstütztes multimodales Lernsystem, das geeignet ist, das Konzeptverständnis bei Lernenden auf allen Leistungsniveaus ohne Betreuung zu fördern, könnte die Lehrkraft entlasten und ihr Freiraum geben, sich speziellen Lerngruppen zuzuwenden. Dies ist umso dringlicher in heterogenen Zielgruppen.
Das Projekt MAL hat das Ziel, ein technisches System für ein derartiges selbstdifferenzierendes Lehr-Lern-Arrangement zu entwickeln. Dabei gehen mathematikdidaktische Forschung und technische Interaktionsforschung und Entwicklung Hand in Hand. Kernelement soll ein alltagstaugliches Produkt zum multimodalen Algebra-Lernen sein, das dazu beiträgt Generalisierungsfähigkeiten aufzubauen, die algebraische Sprache mit ihren Kernkonzepten „begreifbar“ und „körperlich erfahrbar“ macht sowie auf komplexere Inhalte z.B. der Analysis erweiterbar ist. Die zentrale Idee ist, mittels eines multimodalen Ansatzes auf unterschiedliche Bedarfe von Lernenden in unterschiedlichen Bildungsgängen reagieren zu können., Zielgruppe sind einerseits Lehrkräfte, die in inklusiven oder stark heterogenen Klassen Mathematik unterrichten, andererseits Lehrkräfte im berufsbildenden Bereich, insbesondere im kaufmännisch technischen Bereich (vgl. Stein und Korflür 2015), in den Sekundarschulen, den Gesamtschulen, in Oberschulen, Mittelschulen, Regionalschulen, Haupt- und Realschulen, den Fachober- und Berufsoberschulen und zukünftig sicher auch am Gymnasium. Die zu entwickelnden MAL-Produkte sind auch für die Erwachsenenbildung interessant, z.B. für viele Lehrkräfte, die Mathematik fachfremd unterrichten (vgl. etwa mit den Zahlen in Pant et al. 2013) oder angehende Studierende, die in Brückenkursen Mathematikkenntnisse auffrischen müssen, weil sie etwa über den zweiten Bildungsweg oder Berufsoberschulen ins Studium hineinkommen und algebraische Fähigkeiten deshalb kaum ausgebildet haben.
Besonders sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden könnte solch ein Produkt als didaktisches Begleitmaterial in Lehrwerken. Denn so wäre es eingebettet in ein didaktisches Gesamtkonzept, das auch langfristig erfolgreich sein kann und Lehrkräfte dort entlastet, wo es sinnvoll ist und sie es benötigen. Der Westermann Verlag ist Partner im Projekt MAL. Mit ihm sollen bereits während der Entwicklung Bedarfe aufgegriffen, didaktisch beforscht und entwickelt sowie an Schulbücher angekoppelt werden.